In Bayern bekommen geflüchtete Menschen ihr Geld seit einem Jahr auf eine Bezahlkarte.
Von der Karte kann man nur 50€ Bargeld im Monat abheben. An Orten und Läden, in denen keine Kreditkartenzahlung möglich ist, kann man nicht einkaufen. 50€ Bargeld im Monat sind zu wenig und du findest mit dieser Einschränkung planen zu müssen ist diskriminierend?
Du bist gegen rechtspopulistische Symbolpolitik und willst ihr mit deiner praktischen Solidarität etwas entgegensetzen? Das geht ganz einfach: Du kommst in unsere Signalgruppe (eine Wechselstube wird noch gesucht) und tauschst dein Bargeld gegen einen Gutschein. Mit dem Gutschein kannst du dann deinen normalen Einkauf bezahlen. Den Gutschein hat eine Person mit ihrer Bezahlkarte gekauft und dafür von uns Bargeld bekommen.
Die Bezahlkarte ist ein weiteres Instrument, um Geflüchtete zu schikanieren und zu diskriminieren. Im Landkreis wurde die Bezahlkarte im letzten Jahr 2024 eingeführt. Als praktische Hilfe und Fortsetzung des Protestes gibt es “Gutschein – Umtausch – Börsen”. In München tauscht die Offen-Kampagne seit einem Jahr an 5 Tagen die Wochen Gutscheine.
Aktuell können Gutscheine von:
Aldi Edeka dm Lidl REWE
getauscht werden. Die Gutscheine betragen 10 €, 20 € oder 50 €
Wie funktioniert die Bezahlkarte?
Bei der Bezahlkarte handelt es sich um eine guthabenbasierte Karte ohne Kontobindung, die an Asylbewerber*innen in Erstaufnahmeeinrichtungen ausgegeben wird. Geldleistungen werden nicht mehr in Form von Bargeld ausgehändigt oder auf ein eigenes, frei verfügbares Bankkonto überwiesen, sondern auf die Bezahlkarte geladen.Dies bedeutet real, dass Inhaber*innen der Bezahlkarte nur in Geschäften, welche Kreditkartenzahlungen akzeptieren, einkaufen können. Überweisungen sowie die Nutzung im Ausland sind mit der Bezahlkarte ausgeschlossen, ebenso der Online-Handel. Bargeld-Abhebungen sind auf maximal 50 € monatlich beschränkt. Minderjährige erhalten keine eigene Bezahlkarte, ihre Geldleistungen werden auf die Karte eines Elternteils geladen. Es ist vorgesehen, dass Menschen die ihnen zustehenden Geldleistungen ausschließlich über ihre Bezahlkarte erhalten, auch wenn sie die Erstaufnahmeeinrichtung bereits verlassen haben, über ein eigenes Konto verfügen oder in Minijobs arbeiten.
Was ist das Problem?
Bei der Einführung der Bezahlkarte handelt es sich um eine symbolpolitische Handlung, die gravierende Verschlechterungen für Betroffene nach sich zieht und Menschenfeindlichkeit weiter normalisieren soll.
1. Gesellschaftliche Exklusion, Repression und Einschränkungen der Selbstbestimmung:
Die massive Einschränkung zum Bargeldzugang zeigt, dass Geflüchteten nicht zugetraut wird, verantwortlich mit Geld umzugehen. Angeblich soll so verhindert werden, dass die Geldleistungen an Schleppernetzwerke oder an Familienangehörige im Ausland fließen. Beweise, dass Geflüchtete diese Zahlungen tätigen, gibt es jedoch keine. Im Gegenteil, laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung überweisen Geflüchtete seltener Geld ins Ausland als Deutsche ohne Migrationshintergrund. Wie Menschen nun mit der Bezahlkarte Anwaltskosten oder den Schulausflug ihres Kindes zahlen, auf dem Flohmarkt oder in Sozialkaufhäusern einkaufen gehen können, bleibt ungeklärt. Mehrere Klagen laufen bereits diesbezüglich gegen die Karte.
2. Kontrolle und Überwachung:
Bestimmte Händler*innen, z.B. solche ohne Kreditkartenzahlung, sowie der Online-Handel, Überweisungen und die Nutzung im Ausland sind bereits für das Bezahlen mit der Bezahlkarte ausgeschlossen. Außerdem ist die Bezahlkarte auf bestimmte Postleitzahlgebiete bzw. Städte beschränkt. Zudem ist es dem Amt technisch möglich Einblick in die Guthaben- und Bezahlaktivitäten der Schutzsuchenden zu bekommen und die Karte zu sperren. Dies stellt eine inakzeptable und diskriminierende Kontrolle dar!
3. Kosten und Verwaltungsaufwand:
Das Kartensystem wird an private Unternehmen ausgelagert. Diese gelangen dadurch nicht nur an persönliche Daten der Leistungsberechtigten sondern lassen sich diese Dienstleistung auch etwas kosten. Die Verträge mit den Unternehmen sind jedoch geheim. Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten in Baden-Württemberg für 2025 auf 1 Million Euro - allein für das Kartensystem. Wir sind davon überzeugt, dass dieses Geld sinnvoller eingesetzt werden könnte!
Ein weiteres Argument für die Bezahlkarte ist der häufiger angeführte verringerte Verwaltungsaufwand durch die Digitalisierung. Aufgrund der restiktiven Ausgestaltung erhöht sich der Verwaltungsaufwand allerdings erheblich, etwa wenn Eltern Ausgaben für Schulmaterial nur in Bar bezahlen können, wenn Überweisungen getätigt werden müssen ... ist dafür jedes Mal eine Antragsbearbeitung der Behörde notwendig.
4. Ausweitung auf weitere Sozialleistungsempfänger*innen:
Erste Forderungen nach einer Bezahlkarte für bspw. Bürgergeld-Beziehende wurden bereits laut. Die Bezahlkarte und ihre Ausweitung beträfe die vulnerabelsten Personengruppen: Schutzsuchende, Menschen, die von (Alters-)Armut betroffen sind, Menschen mit Behinderung, mit chronischen oder psychischen Krankheiten. Ein Land, das sich als Sozialstaat versteht, ist verpflichtet, eben diese Menschen zu beschützen!
5. Die Bezahlkarte - Heute wie damals eine populistische Symbolpolitik:
Ende der 1990er Jahre führte die Einführung einer ähnlichen Bezahlkarte in Teilen Berlins dazu, dass Händler*innen die Notlage von Geflüchteten ausnutzten: Gegen einen Aufschlag zahlten sie Geflüchteten Bargeld aus. Die Bereicherung an den ohnehin geringen Geldmitteln von Asylbewerber*innen ist unter keinen Umständen hinzunehmen! Dies offenbart die Dringlichkeit und Relevanz von einem uneingeschränkten Zugang zu Bargeld und zum anderen, dass die Bezahlkarte den Zugang zu Bargeld zwar massiv erschwert, ihn jedoch nicht gänzlich verhindern kann. Die Wege an Bargeld zu kommen, sind kreativ und vielfältig.
Rechtliche Situation
Die Ausgestaltung der Bezahlkarte ist in den einzelnen Bundesländern teils sehr unterschiedlich. Aufgrund einer Opt-Out-Regelung im Landesgesetz von Nordrhein-Westfalen konnten sich dortige Kommunen auch gegen die Bezahlkarte entscheiden. Diesen Weg sind sind unter anderem Aachen, Köln und die Landeshauptstadt Düsseldorf gegangen (eine Liste findet sich auf der Seite des Flüchtlingsrates NRW: https://www.frnrw.de/top/nein-zur-bezahlkarte-ratsbeschluesse-aus-nordrhein-westfaelischen-kommunen.html ). Die Gesellschaft für Freiheitsrechte sieht in der restriktiven Ausgestaltung der Bezahlkarte einige Grundrechtseinschränkungen, beispielsweise durch die Unterschreitung des Existenzminimums, dem Charakter eine Schikanemaßnahme und der Ungleichbehandlung aufgrund der Herkunft. Einige Eilverfahren waren bereits erfolgreich.
In der öffentlichen Debatte werden jedoch die Solidarischen Tauschaktionen kriminalisiert und mit autoritären Drohungen, vor allem mit dem Entzug von Fördermittel beteiligter Räume, gedroht. Die Staatsanwaltschaft München und Regensburg haben sich bereits mit den Tauschaktionen befasst und sehen keine Rechtswidrigkeit der Tauschaktionen.
Um es in den Worten des Bayerischen Flüchtlingsrates zu sagen:
"Rechtswidrig ist die Bezahlkarte - nicht unsere Solidarität" (Bayerischer Flüchtlingsrat, 12. November 2024)